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Historie – Capoeira

Sowohl über den Ursprung der Sportart als auch des Begriffs Capoeira gibt es viele unterschiedliche Theorien, von denen bisher aber keine als die einzig richtige nachgewiesen werden konnte. Obwohl die Existenz der Capoeira erst seit dem 18. Jahrhundert belegt ist, geht  die Forschung davon aus, dass Vorformen bereits im 16. Jahrhundert, nach dem Eintreffen der ersten Sklaven in Brasilien, aus einer Vermischung afrikanischen Nahkampftrainings sowie Kulten mit Begleitung durch afrikanische und lusitanische Musikinstrumente  sowie Gesang entstanden. Gemäß der oralen Überlieferung spielte Capoeira im Kampf entlaufener Sklaven gegen die brasilianische Staatsmacht im 17. Jahrhundert eine wichtige Rolle. Dies wird im Geschichtsbewusstsein der Afrobrasilianer repräsentiert durch den Nationalhelden Zumbi und die Fluchtburg Quilombo dos Palmares, die letztendlich nur durch Verrat von der brasilianischen Armee erobert werden konnte. 1695 wurde der Freiheitskampf der Afrobrasilianer mit der Hinrichtung Zumbis vordergründig beendet.

Obwohl  in den Zeiten der Sklaverei die Ausübung der Capoeira mit Auspeitschung bestraft wurde, da man in Capoeirakämpfern die Rädelsführer möglicher Revolten sah, gibt es bildliche Darstellungen ausgeübter  Capoeira im  beginnenden 19. Jahrhundert, so z. B. in 1824 von Rugendas und 1835 von Debret gemalten Szenen von den Plantagen. Trotz des offiziellen Capoeiraverbots wurden zwischen 1865 und 1870 in Brasilien viele Capoeiristas aufgrund ihres großen Ruhms als herausragende Nahkämpfer für den Krieg gegen Paraguay zwangsrekrutiert.

Auch nach Aufhebung der Sklaverei im Jahr 1889 gab es in Brasilien weiterhin einen Capoeira-Paragrafen, der die Ausübung der Capoeira mit Verbannung von sechs Monaten bis zu zwei Jahren bestrafte. Die Capoeira wurde in dieser Zeit stark in den Untergrund gedrängt und nur noch in Rio de Janeiro, Recife und Salvador da Bahia praktiziert.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts etablierten sich in Salvador da Bahia zwei Capoeirastile: Mestre Pastinha vertrat die traditionellere Art der Capoeira Angola, Mestre Bimba schuf die modernere Capoeira Regional, die sich durch schnelleren Rhythmus und mehr hohe Kicks von der Capoeira Angola unterscheidet.

Erst 1937, nach erfolgreicher Etablierung der Capoeiraschulen Mestre Pastinhas und Mestre Bimbas in Salvador da Bahia, wurde das Capoeira-Verbot vom sozialistischen Präsidenten Getúlio Vargas aufgehoben.

In den Jahren danach organisierte Mestre Bimba zahlreiche Kämpfe seiner Capoeiraschüler mit Vertretern anderer Kampfsportarten, die alle von den Capoeirakämpfern gewonnen wurden. Nachdem Mestre Bimba 1953 vom Präsidenten nach Rio de Janeiro eingeladen worden war, hatte die Sportart endgültig den nationalen Durchbruch geschafft.

In den Folgejahren brachten Mestre Bimbas Schüler Capoeira nach Nordamerika und Europa, wo sie vor allem in den Großstädten Capoeiragruppen gründeten. Bis zu  diesem Zeitpunkt war das Capoeiratraining in Brasilien ausschließlich Männern vorbehalten, aber unter internationalem Einfluss öffnete sich die Capoeira auch Frauen und Kindern.

Diese internationale Bewegung erhielt einen neuen Schub, als 1993 der US-amerikanische Actionfilm “Only the Strong“ in die Kinos kam, der auch einen Einblick in die Kampfkunst Capoeira vermittelt.

Heute ist Capoeira nicht nur angesehene Sportart in Brasilien, sondern seit 2014 sogar ein von der UNESCO anerkanntes immaterielles Weltkulturerbe. Die einzigartige Mischung aus Sport, Kampf, Tanz, Populärkultur, Musik, afrobrasilianischem Geschichtsbewusstsein  und Vergnügen zeichnet sich je nach Stil  durch schnelle und komplexe oder langsamere, häufig am Boden ausgeführte Bewegungen aus. Eine Eigenschaft, die die Capoeira von anderen Kampfsportarten unterscheidet, ist die Tatsache, dass sie immer von traditioneller Musik und Gesängen begleitet wird, in denen vor allem Geschichte und Lebensphiliosophie der Afrobrasilianer erinnert und gefeiert werden.  Es gibt verschiedene Rhythmen, die den Spielern langsame, komplexe oder auch schnelle, explosive und kraftvolle Bewegungen vorgeben.

Zu Beginn des Jahres 2003 wurde mit der Academia Internacional de Capoeira Mannheim e.V. (damals noch unter dem Namen Capoeira Topazio) der erste eigenständige Capoeiraverein in den Badischen Turnerbund und den Turngau Mannheim aufgenommen.

Ende des Jahres 2015 etablierte der Badische Turnerbund Capoeira als Fachgebiet mit zunächst noch wenigen angeschlossenen Vereinen in den Turngauen. Deren Zahl ist jedoch sehr schnell angestiegen, so dass bereits im Jahr 2016 vom Fachgebiet die ersten Fortbildungsveranstaltungen und Fachtagungen für die Vereine organisiert wurden.

Somit ist Capoeira nicht nur im Turngau Mannheim, sondern auch im  Badischen Sportbund insgesamt als vollwertige Sportart angekommen.

Quellen und Bildnachweise:

Wikipedia

Karasch, Mary C., Slave life in Rio de Janeiro (1808 – 1850), Princeton University Press, 1987

Freyre, Gilberto, Casa-Grande & Senzala, 51a Edição, Global  Editora, São Paulo 2006

Couto, Adyolvã A. – Mestre Zoião, História Arte & Filosofia da Capoeira Nacional,  Salvador da Bahia, 1999

Almeida, Raimundo Cesar Alves de, – Itapoan – , A saga do Mestre Bimba, Bahia, 1994

Nestor Capoeira, Capoeira, Kampfkunst und Tanz aus Brasilien, aus dem Brasilianischen übersetzt von Gerhard Schmitt, Berlin, 2000

Rugendas, Johann Moritz , Voyage pittoresque e historique dans le Brésil, Paris, 1824

Debret, Jean Baptiste, Viagem pitoresca e historica ao Brasil, Paris, 1834

Onori, Piero, Sprechende Körper Capoeira – ein afrobrasilianischer Kampftanz, Berlin, 1988

Martin, Pedro J. – Formado Comprido, Ao som do Berimbau, Capoeira, arte marcial del Brasil, Barcelona, 2000